Chilfree by Choice: warum scheint es noch immer ein solch kontroverses Thema zu sein?


Disclaimer: Wenn du dich beim Thema Kinderfrei angegriffen fühlst, dann ist dieser Artikel nichts für dich.  

Immer mehr Frauen entscheiden sich heute für ein Kinderloses Leben. Wobei ich ja den englischen Begriff Childfree also Kinderfrei viel passender finde. Doch gerade bei der vermeintlich persönlichen Entscheidung Kinderfrei leben zu wollen, glaubt die Gesellschaft, glauben manche Menschen mitreden zu müssen. Eine Frau ohne Kinder, die glücklich und erfüllt ist? Ein Tabuthema! Noch schwieriger scheinen es Frauen zu haben, die als Single glücklich sind. Die Psychologin Bella DePaulo zum Beispiel schreibt dazu in ihrem Buch 'Singled Out': "Glückliche Singles werden in der Gesellschaft negativer wahrgenommen, als jene, die Beziehungen suchen." Ist das nicht krass? Tatsächlich fällt gerade auf Social Media auf, wie zum Beispiel Mama Blogs hoch gefeiert werden, während Childfree by Choice blogs viel öfter negative und angreifende Kommentare erhalten. Doch warum fällt es uns denn nur so schwer sich von alten, ausgedienten Mustern zu verabschieden? 

Warum scheinen sich so viele Menschen persönlich angegriffen zu fühlen von der urgeigenen Entscheidung einer Frau keine Kinder bekommen zu wollen? Verbietet diese persönliche Entscheidung anderen Kinder zu bekommen? Nein. Schadet diese Entscheidung irgendwie der Gesellschaft? Nein, ganz im Gegenteil. Unsere Welt is überbevölkert, von daher ermöglichen kinderfreie Frauen anderen Frauen, die sich Kinder wünschen, die Möglichkeit, ihren Kindern mehr Ressourcen zu bieten. Das ist doch eine Win-Win-Situation, oder etwa nicht? Was aber steckt dann hinter diesem Tabuthema? Warum ist es für manche schwierig zu akzeptieren, wenn Frauen keine Kinder wollen? Oder anders gefragt, warum neigt unsere Gesellschat noch heute dazu, den Wert einer Frau darüber zu definieren, ob sie eigene Kinder hat oder nicht?
 

Unsere Glaubenssätze begleiten uns oft unreflektiert

Nun zum einen liegt die Antwort auf diese Frage in unserer Konditionierung, also der Art und weise, wie wir in unsere Kindheit geprägt wurden und welche Glaubenssätze wir uns angeeignet haben. Wenn ich als Kind schon sehe, dass Kinder kriegen, das Nonplusultra im Leben einer Frau zu sein hat und ich diesen Glaubenssatz niemals reflektiere, dann stehen die Chancen recht gut, dass ich diese Sichtweise ungefiltert, gegenüber mir selbst und anderen Frauen durchs Leben trage. Dann kann es durchaus sein, dass ich den Wert eines anderen Menschen darüber definiere, ob eigene kinder vorhanden sind oder eben nicht. Ganz ähnlich wie manche auch den Wert ihrer Mitmenschen zum Beispiel über ihr Hab und Gut definieren, oder darüber wie hoch man in der Karriereleiter hinaufklettert. Kurz gesagt, manche unserer Glaubenssätze, die wir mit unseren Kinderaugen geformt haben, sind nie mit uns mitgewachsen. 

Nun haben wir ganz viele Glaubenssätze, die uns hilfreich sind im Leben, aber eben auch solche, die uns an einem erfüllten Leben hindern. Zum Beispiel, wenn ich mich so sehr nach eigenen Kindern sehne, jedoch keine bekommen kann. Wenn ich dann meine Glaubenssätze nicht aufarbeite, werde ich mit grosser Wahrscheinlichkeit der Meinung sein, dass ich ohne eigene Kinder weniger Wert bin. Deshalb ist es so wichtig, sich die eigenen Glaubenssätze und Verhaltensmuster genau anzuschauen, nicht um über sich selbst zu werten, sondern, ganz im Gegenteil um zu erkennen, wo wir uns unbewusst abwerten und klein machen. Wenn wir uns dessen erst einmal bewusst sind, können wir auch an den hinderlich gewordenen Mustern arbeiten und Wege finden, uns in unserem Leben zu ermutigen, ganz egal ob mit oder ohne Kinder.

Die Macht der Gruppe

Zum anderen lassen wir Menschen uns auch einfach gerne von der Gruppe 'anstecken' und übernehmen  oft unreflektiert die Meinung der breiten Masse. Was zeigt uns diese auf? Nun, da brauchen wir nur mal einen Blick nach Hollywood zu werfen mit dem Thema: 'glückliches, erfolgreiches und erfülltes Leben der Frau', denn da sind die altbackenen Klischees noch immer gerne und prominent vertreten. 

Doch so weit brauchen wir gar nicht zu blicken. Unser Smartphone reicht da schon völlig aus, mit all der Werbung, den Mama-Blogs und den Angeboten zur Kinderwunscherfüllung. An so vielen verschiedenen Orten begegnen uns Suggestionen des glücklichen Mutterseins. Ganz besonders auffallend ist es im Übrigen auch bei Vorstellungen auf Websites oder Social Media. Denn während Männer sich hierbei eher mit ihrem Können vorstellen, neigen Frauen viel öfter dazu sich mit 'glückliche Ehefrau und Mutter' vorzustellen. Dagegen ist natürlich nichts einzuwenden, doch es trägt eben auch zu diesem Bild bei, was eine Frau in ihrem Leben braucht um glücklich und erfüllt leben zu können.Die Akzeptanz glücklicher, kinderfreier Frauen scheint daher geringer, wohingenen ein Leben mit Kindern gerne romantisiert wird. 
 
Das erschwert übrigens nicht nur kinderfreien Frauen das Leben, sondern auch Müttern. Warum? Dadurch das Muttersein so sehr mit Glück und Erfüllung gleichgesetzt wird, erhöht es den Druck auf Frauen enorm, in ihrer Rolle als Mutter glücklich und perfekt sein zu müssen. 'Regretting motherood' also sein Muttersein zu bereuen ist in diesem Zusammenhang ein mindestens ebenso grosses Tabu-Thema wie das der glücklichen, kinderfreien Frau.

Was mich persönlich jeweils sehr beschäftigt ist es, welch unheimlichen Druck wir Frauen uns damit selbst und unseren Mitmenschen aufladen. Nur weil jemand das Muttersein bereut, bedeutet das doch nicht, dass sie ihr Kind nicht liebt, oder eine Rabenmutter ist. Doch dadurch, dass Mutterschaft derart übermässig romantisiert wird, bleiben Mütter mir ihren Gefühlen oft alleine. Ganz ähnlich kann es Frauen gehen, die keine Kinder haben möchten, aber dennoch welche bekommen, weil sie glauben, es gehöre ganz einfach zum erfolgreichen Frausein dazu. Auf der anderen Seite fühlen sich Frauen, die bewusst Kindefrei leben, oft so, als müssten sie sich dafür rechtfertigen und ebensoviel Veruteilung einstecken, einfach aus anderer Ecke. Da stellt sich einem die Fragen, kann man es als Frau denn überhaupt richtig machen?

Wie könnten wir es besser machen?

Ich bin der Meinung wir brauchen in dieser Hinsicht viel mehr psychologisch sichere Orte, die es uns erlauben uns offen und ehrlich, ohne einander zu be- oder gar verurteilen, auszutauschen. Ausserdem könnten wir mit Hilfe eines offenen Austausch auch andere Missstände angehen, wie zum Beispiel der sogenannten Mutterschaftsstrafe.

Am Ende ist es doch genau das, wofür schon unsere Mütter und Grossmütter gekämpft haben, nämlich dafür, dass wir heute die Entscheidungsfreiheit haben und informierte, refklektierte Entscheidungen treffen können. Ich glaube, wenn wir es zum Thema machen, reflektierter entscheiden zu können, dann unterstützen wir uns ganz automatisch gegenseitig in unseren Entscheidungen. Mütter fühlen sich weniger allein gelassen, Kinderfreie Frauen fühlen sich weniger ausgeschlossen und jede kann ihrem Leben mehr Selbstbestimmung verleihen, indem sie so leben kann, wie es wirklich für sie stimmt.
 

Mit Klischees aufräumen

Übrigens sind viele der Klischees genau das, oberflächliche, festgefahrene, vereinfachte Vorstellungen oder Vorurteile ohne Hand und Fuss. Ob wir in unserem Leben Glück, Sinnhaftigkeit und Erfüllung empfinden hängt nich davon ab, ob wir Mütter werden oder nicht, sondern davon, wie wir unsere Lebensumstände angehen und ob wir fähig sind, das schöne im Alltag zu erkennen, unabhängig davon, wie diese aussehen mögen. Sehr empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang auch der Kein Kinderwunsch-Podcast von Verena Kleinmann, in dem sie sich mit genau diesen Fragen auseinandersetzt und mit Frauen in verschiedensten Lebenslagen spricht.


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